Wanderausstellung »NS-Psychiatrie in der Pfalz« in Bad Bergzabern
Bis 27. Juli montags bis freitags von 15 bis 17 Uhr in der Marktkirche
Eugen H. hatte einst Theologie studiert, war dann an Schizophrenie erkrankt und wurde deswegen in Klingenmünster behandelt. Seit 1924 war er ohne Symptome, hatte als Privatsekretär des Anstaltsdirektors gearbeitet und wollte 1935 heiraten. Gerade deshalb zeigte ihn der Direktor zur Unfruchtbarmachung an. Eugen H. wehrte sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden legalen Mitteln und verlor den Kampf um seine körperliche Unversehrtheit. 1937 wurde er in Speyer sterilisiert.
Der Lebensweg von Eugen H. ist in der Wanderausstellung „NS-Psychiatrie in der Pfalz“ dokumentiert, die bis zum 27. Juli in der Marktkirche Bad Bergzabern gezeigt wird. Pfarrer Joachim Geiling vom ökumenischen Team der Klinikseelsorge im Pfalzklinikum hatte ihn für die Eröffnungsveranstaltung am 22. Juni ausgewählt. Gemeinsam mit Christiane Sprenger, die wie er im Ausschuss für Gedenkarbeit des Pfalzklinikums ehrenamtlich mitarbeitet, hatte er in die Ausstellung eingeführt.
Zuvor hatte Pfarrerin Angela Fabian von der Protestantischen Kirchengemeinde Bad Bergzabern der Evangelischen Kirche der Pfalz ihre Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass etwa 80 Bürgerinnen und Bürger der Einladung gefolgt waren. In Anwesenheit von Dekan Dietmar Zoller und des fast kompletten Stadtrats brachte Bezirkskantor Maurice Antoine Croissant klassische Kirchenlieder von Paul Gerhardt in jazzigem Arrangement zu Gehör.
Die eindrucksvolle Exposition, die in der Marktkirche besonders gut ins Licht gesetzt wurde, beleuchtet die NS-Psychiatrie am Beispiel der Pfalz mit dem Schwerpunkt auf der damaligen »Heil- und Pflegeanstalt« Klingenmünster. Texte, historische Dokumente und Bilder erläutern und veranschaulichen die menschenverachtenden Konsequenzen, die die Unterscheidung zwischen vermeintlich »wertvollen« und »minderwertigen« Menschen in der NS-Psychiatrie hatte. Auch der Umgang mit der Vergangenheit nach 1945 ist Thema der Ausstellung, die den späten Beginn der Aufarbeitung Ende der 1980er Jahre ebenso darstellt wie die aktuelle Auseinandersetzung der Mitarbeiter des Pfalzklinikums mit Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen, die „anders“ sind.
Wie Eugen H. wurden in der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster von 1934 bis 1943 mindestens 286 Männer zur sterilisierenden Operation gezwungen. Auch mindestens 80 Mädchen und Frauen aus der Anstalt wurden aufgrund der Diagnose Schizophrenie unfruchtbar gemacht und litten oft ein Leben lang darunter. Über 2000 Menschen wurden durch die NS-Psychiatrie in Klingenmünster um ihr Leben gebracht. Die Wanderausstellung ist eine Einladung an alle Interessierten, insbesondere auch an Schüler und Lehrer, sich mit diesem Kapitel der pfälzischen Psychiatriegeschichte auseinanderzusetzen.
Das Konzept zur Ausstellung wie auch zum Katalog hat Christof Beyer erarbeitet, der 2009 das Buch "Von der Kreisirrenanstalt zum Pfalzklinikum. Eine Geschichte der Psychiatrie in Klingenmünster" vorlegte. Im Rahmen eines Promotionsstipendiums des Bezirksverbands Pfalz bekam er anlässlich des 150, Gründungstages der Anstalt die Möglichkeit, die Geschichte aus kulturwissenschaftlicher Sicht zu erforschen. Das Buch ist im Institut für Pfälzische Geschichte und Volkskunde Kaiserslautern erschienen und im Buchhandel erhältlich.
Die Ausstellung ist montags bis freitags jeweils von 15 bis 17 Uhr für Besucherinnen und Besucher offen. Zusätzliche Öffnungszeiten und Führungen können auf Anfrage vereinbart werden. Die Marktkirche befindet sich in der Marktstr. 16. Parkmöglichkeiten gibt es u. a. in der Weinstraße 43.
Informationen zum aktuellen Ausstellungsort:
Prot. Kirchengemeinde Bad Bergzabern
Annette Bauer
Dekanatssekretariat
Telefon: 06343 - 7002100
dekanat.bad.bergzabernevkirchepfalz.de
Informationen zur Ausstellung und zum Katalog:
Pfalzklinikum, Sekretariat Gedenkarbeit
Rita Hunsicker
Tel. 06349 900-1001
rita.hunsickerpfalzklinikum.de