Station 9
Hungersterben
Auf einer Konferenz im November 1942 in München planten die bayerischen Anstaltsdirektoren die Einführung einer »Entzugskost«: Nicht mehr arbeitsfähige Kranke sollten zugunsten von arbeitenden
Patienten weniger Nahrungsmittel bekommen. Der Klingenmünsterer Direktor Gottfried Edenhofer war bei der Konferenz anwesend. Ergebnis der Besprechung war ein Erlass des bayerischen Innenministeriums, dessen Ziel die schlechtere Versorgung arbeitsunfähiger Patienten war.
Die Durchführung dieses »Hungererlasses« war in den Anstalten maßgeblich auf die Mitwirkung der Ärzte und des Pflegepersonals angewiesen. In der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster hatte dieser Erlass massive Folgen. In den Jahren 1943 bis 1945 starben dort mehr als 1880 Patienten. Darunter waren auch mindestens 66 minderjährige Mädchen und Jungen.
Viele Todesopfer kamen aus anderen Anstalten. Bis Ende September 1943 musste die Anstalt Klingenmünster 571 Patienten aus Frankenthal aufnehmen. Bombenangriffe hatten die dortige Anstalt zerstört. Von 1942 bis 1944 deportierten die Behörden etwa 430 Patienten aus der Anstalt Lörchingen (Lothringen) nach Klingenmünster. Dazu verlegte man 1943 und 1945 noch 185 Menschen aus pfälzischen Pflegeeinrichtungen, Altersheimen und Krankenhäusern in die Anstalt. Fast zwei Drittel aller dieser nach Klingenmünster verlegten Patienten starben dort bis 1945. Die Toten wurden auf dem Klinikfriedhof auch
in Massengräbern beerdigt.
Postkarte der Eltern von Alois U. (1929-1945) an die Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster, Februar 1945. Etwa einen Monat vor Eintreffen der Karte war Alois U. laut Krankenakte an »Herz-Kreislauf-Schwäche« gestorben. (© Landesarchiv Speyer)